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Aus dem Sagenschatz des Harzes

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Die Sage vom Hexentanzplatz

 

Auf dem hohen Felsen, welcher links am Eingang in das untere Bodetal hoch in die Lüfte ragt und unter dem Namen Hexentanzplatz bekannt ist, lebte der Sage nach vor uralten Zeiten ein altes Zauberweib namens Watelinde, welches durch ihre höllischen Künste viel Unheil anrichtete und von allen Harzbewohnern als Hexenmutter sehr gefürchtet wurde. Sie war es, welche alle Hexentänze und Versammlungen anführte, mit Vorliebe fromme Jungfrauen durch allerlei schöne Versprechungen an sich lockte, um ihren Zauber über sie werfen und ebenfalls Hexen aus ihnen machen zu können. Nun trug es sich zu, dass zu dieser Zeit, als bereits viele Harzbewohner zum Christentum übergetreten waren, eine Jungfrau aus Thale, namens Hilda, an einem schönen Sommerabend in den nahen Wald ging, um heilsame Kräuter zu suchen. Endlich, als das Körbchen fast gefüllt war, schickte sie sich an, heimzugehen, denn es war bereits so dunkel geworden, dass sie die feinen Gräser und Blättchen nicht mehr voneinander zu unterscheiden vermochte. Hilda hatte jedoch kaum hundert Schritte zurückgelegt, als ein bleicher Mondstrahl durch die Baumwipfel brach und sich wie ein Silberstreif über ihren Pfad legte. Da fiel ihr ein, dass im Mondschein gebrochene Kräuter eine ganz besondere Heilkraft besitzen, Wenn man die richtigen Zaubersprüchlein weiß, die beim Einsammeln gesagt werden müssen. So begann denn das Suchen und Pflücken von neuem und sogar noch eifriger als zuvor. Dabei murmelten ihre Lippen seltsame Worte, wie es bei ihrem Volke von alters her Brauch und Sitte war. Wie sich aber Hilda wieder einmal am Fuße eines mächtigen Baumes niederbeugte, leuchteten ihr plötzlich zwei große, gelb funkelnde Augen entgegen, die so rund Waren wie die einer Eule. Mit einem Angstschrei fuhr sie zurück und lief in den Wald hinein, nur von dem Wunsche beseelt, diesen schrecklichen Augen zu entrinnen. Erst als sie eine Strecke weit gelaufen war, sah sie sich scheu um und erblickte nun auf einer vom Mond beschienenen Lichtung ein großes schwarzes Tier von katzenähnlicher Gestalt, das ihr in wilden Sprüngen über die Büsche entgegenflog. Hilda setzte sich von neuem in Lauf, aber sie merkte, wie das unheimliche Tier ihr auf den Fersen blieb, und deutlich vernahm sie eine heisere Stimme hinter sich, die ihr zurief: „Fürchte Dich doch nicht, Jungfrau, ich will Dir ja kein Leid zufügen, sondern Dir nur die Kräutlein nennen, mit deren Hilfe Du Deinen Liebsten für alle Zeit an Dich fesseln kannst.“ Diese Kräutlein hätte Hilda freilich gar zu gern gekannt, denn, obschon sie dem jungen Sigbert manches Zauber- und Liebestränklein gereicht hatte, war sein Sinn bisher noch ein unsteter geblieben. Aber sie widerstand der Lockung, denn die gelblichen Augen hatten einen so boshaften Ausdruck, dass sie nur einem bösen Geist angehören konnten, der sie ins Verderben stürzen wollte. Nun aber kam das Tier dicht an sie heran und sprach immer die gleichen Worte, und als sie es näher anschaute, wurde ihr auf einmal klar, dass sie niemanden anderen vor sich haben konnte als Watelinde, die zuweilen die Gestalt einer schwarzen Riesenkatze annahm. Voller Entsetzen lief Hilda nun noch schneller. Doch in ihrer Angst und Verwirrung hatte sie eine falsche Richtung eingeschlagen, und mit Schrecken wurde sie gewahr, dass sie sich am Fuße des Hexentanzplatzes befand. Das schwarze Tier, welches Stets an ihrer Seite geblieben war, richtete sich plötzlich in drohender Stellung auf und rief, Funken sprühend, mit gellender Stimme: „Ja, Jungfrau, jetzt bist Du eingetreten in meinen Zauberkreis, und hier kann ich mit Dir machen, was ich will“ Im Nu verwandelte sich die Katze in ein hageres, altes Weib, über dessen fratzenhaftes, runzliges Gesicht graue Haarsträhnen wirr niederhingen, dessen triefende, blutunterlaufene Glotzaugen Hilda wild an stierten, während aus dem schief gezogenen Riesenmund blaue Flammen empor züngelten, sobald das scheußliche Zauberweib ihn öffnete. Und kaum, dass sich diese Verwandlung vollzogen hatte, fasste Watelinde der Jungfrau Lockenhaar, um sie mit sich auf die Kuppe des Felsens fortzuziehen. In diesen bangen Augenblicken erinnert sich jedoch Hilda der Lehren ihrer Mutter und bekreuzigte sich. Da begann es in der Luft zu brausen; ein Sturmwind umsauste den Gipfel des Hexentanzplatzes, fuhr hernieder, und während Blitze zuckten und ein gewaltiger Donnerschlag die Felsen ringsum erbeben machte, wurde die böse Watelinde in die Lüfte gehoben, über das Bodetal hinweggefegt und von einer unsichtbaren Hand gegen einen Felsen geschleudert, wo sie selbst zu Stein erstarrte. Dieser Felsen aber trägt heute noch die Bezeichnung: Hexengroßmutter. Die vom Verderben errettete Hílda gelangte wohlbehalten in die Hütte ihrer. Mutter, heiratete später ihren Sigbert und wurde glücklich. An der Stelle aber, wo damals Hilda mit Watelinde, der Hexengroßmutter, rang, steht heute ein Gasthaus, der Waldkater genannt, in welchem der Harzwanderer sich erholen und mit Speise und Trank erquicken kann. Heute ist der Hexentanzplatz ein Ort, der seiner Großartigkeít wegen viel besucht wird, doch zu Hildas Zeiten und noch viel später wurde er gemieden, und wenn die grauen Nebel auf der Kuppe desselben umherflatterten, vom fahlen Mondlicht beleuchtet, dann bekreuzigten sich die Bewohner von Thale und raunten einander scheu und ängstlich zu: „Sieh, wie Watelinde die Hexen zum Tanze führtl“

Quelle: Aus "Aus dem Sagenschatz des Harzes", Herausgeber: Kreisleitung Halberstadt 1968

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Die Roßtrappe

Vor tausend und mehr Jahren war das Land rings um den Harz von Riesen bewohnt, die Heiden und Zauberer waren, Raub, Mord und Gewalt übten. Sechzigjährige Eichen rissen sie samt den Wurzeln aus und fochten damit. Was sich entgegenstellte, wurde mit Keulen niedergeschlagen und die Weiber in die Gefangenschaft fortgeschleppt, wo sie Tag und Nacht dienen mussten. In dem Böhmerwald hauste damals ein Riese; er hieß Bodo. Alles war ihm untertan; nur Emma, die Tochter vom Riesengebirge, konnte er nicht zu seiner Liebe zwingen. Stärke und List halfen ihm nichts, denn sie stand mit einem mächtigen Geist im Bunde. Einst aber ersah sie Bodo jagend auf der Schneekoppe und sattelte seinen Hengst, der meilenlange Fluren im Augenblick übersprang. Bodo schwur, Emma zu fangen oder zu sterben. Fast hätte er sie erreicht. Als sie ihn aber 2 Meilen von sich erblickte und an den Torflügeln eines zerstörten Städtleins, die er im Schilde führte, erkannte, da schwenkte sie schnell das Roß. Von ihren Sporen getrieben, flog es über Berge, Klippen und Wälder durch Thüringen in die Gebirge des Harzes. Oft hörte sie einige Meilen hinter sich das schnaubende Roß Bodos und jagte dann den nimmermüden Zelter zu neuen Springen auf. Jetzt stand ihr Roß verschnaufend auf dem furchtbaren Fels, der Hexentanzplatz heißt. Angstvoll blickte Emma in die Tiefe, denn mehr als tausend Fuß ging senkrecht die Felsenmauer hinab zum Abgrunde. Tief unten rauschte der Strom und kreiste in furchtbaren Wirbeln. Der entgegenstehende Fels schien noch entfernter und kaum Raum zu haben für den Vorderfuß des Rosses. Von neuem hörte sie Bodos Roß schnauben; in der Angst rief sie die Geister ihrer Väter zu Hilfe, und ohne Besinnung drückte sie ihrem Zelter die Sporen in die Seite. Und das Roß sprang über den Abgrund glücklich auf die Spitze der Klippe und schlug seinen Huf vier Fuß tief in das harte Gestein, dass die Funken stoben. Das ist die Roßtrappe.

Die Zeit hat die Vertiefung kleiner gemacht, aber kein Regen kann sie verwischen.

Emma war gerettet, aber die zentnerschwere goldene Königskrone fiel während des Sprunges von ihrem Haupt in die Tiefe. Bodo, der in blinder Hitze nachsetzte, stürzte in den Strudel und gab dem Fluss den Namen. Als schwarzer Hund bewacht er hier die goldene Krone der Riesentochter, dass niemand sie heraushole. Ein Taucher wagte es einst für große Versprechungen. Er stieg in die Tiefe, fand die Krone und hob sie in die Höhe, so dass das versammelte Volk schon die Spitzen golden schimmern sah. Aber sie war zu schwer; zweimal entsank sie seinen Händen. Das Volk rief ihm zu, das dritte Mal hinabzusteigen. Er tat's, und ein Blutstrahl sprang noch in die Höhe. Der Taucher kam nimmer wieder empor.

Jetzt deckt tiefe Nacht und Stille den Grund; kein Vogel fliegt darüber. Nur um Mitternacht hört man oft in der Ferne das dumpfe Geheul des Höllenhundes.

(Brüder Grimm)

Quelle: Aus "Aus dem Sagenschatz des Harzes", Herausgeber: Kreisleitung Halberstadt 1968

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Altenbrak

Ein alter Hüttenschmied aus Thale, der jeden Tag den weiten Weg an der Bode hinauf zur Hütte zurücklegte, obwohl ihm die Arbeit schon recht sauer wurde, machte sich Sorgen, wie lange er die schwere Arbeit wohl noch durchführen könnte. Er lebte bei seiner Tochter, die eine Bergmannswitwe war und fünf kleine Kinder, aber keinen anderen Ernährer hatte als ihren alten Vater. Eines Tages trug er die fertigen Eisenstangen aus der Hüttenschmiede auf den Hof hinaus, damit er drinnen Platz für neue Arbeit hätte. Wie staunte er aber, als er bemerkte, dass ein Zwerg neben ihm ging, der ebenfalls Eisenstangen aus der Schmiede trug.. Als er nachzählte, stellte er fest, dass doppelt so viele Stangen draußen lagen, als er geschmiedet hatte, obwohl erst die halbe Schicht herum war. Bei der Mittagsrast forderte er den kleinen Helfer auf, sich zu ihm zu setzen und von seinem Brot mitzuessen. Das tat der denn auch, ohne sich lange zu zieren. Nach dem Essen nickte er dem Alten einen Dank zu und verschwand. So ging das nun jeden Tag, so dass der Schmied am Ende der Woche einen guten Lohn ausgezahlt bekam und weit mehr Geld verdiente, als die anderen Hüttenleute. Nach einiger Zeit wurde der Hüttenmeister darauf aufmerksam und überlegte, wie er von allen Arbeitern solche Leistungen erzielen könnte. Er schickte zwei fremde Schmiedegesellen zu dem alten Mann, die ihm seine Kniffe absehen sollten. Die Gesellen waren nicht davon erbaut und gingen nur widerwillig daran, dem Alten zu helfen und ihn zu beobachten. Sie waren von weit her zugewandert und Vertrugen sich schlecht mit den Harzer Hüttenleuten, deren Sprache sie, kaum verstanden. Am nächsten Morgen kamen statt eines Zwerges gleich ihrer drei, um den Schmieden bei der Arbeit zu helfen, Die fremden Gesellen scheuchten die Kleinen, die ihnen im Wege standen, hin und her, so dass es ihnen schwerfiel, dass gleiche zu schmieden wie die Gesellen und der Alte. Zum Mittag gaben sie ihnen nichts von ihrem Essen ab, der Alte musste sein Brot mit allen dreien teilen. Als sie nach dem Essen die Schmiede verließen, warf ihnen der eine Geselle ein Stück Eisen nach und verletzte einen der Zwerge schwer. Der rief dem Alten zu, er solle morgen zu Hause bleiben - hier würde alles brake*). Damit verschwanden sie im Berg.

Am anderen Tag standen die Gesellen ratlos in der Schmiede und wussten nicht, was sie ohne den Alten, der zu Hause geblieben war, anfangen sollten. Es misslang. ihnen alles, was sie anfassen mochten. Da begann es plötzlich draußen in Strömen zu regnen, dass die Bode rauschte und schwoll, bis sie, zu einem reißenden Strom angewachsen, über die Ufer trat und in die Hütte eindrang. Die Hüttenleute flüchteten auf die Berge, wo sie vor dem Wasser sicher waren. Die beiden fremden Gesellen, die zu spät erst die Gefahr erkannten, folgten den anderen in großer Hast. Das Wasser verfolgte sie und riss sie immer Wieder zurück. Steine prasselten ihnen entgegen, dass sie mit blutigen Köpfen aus dem Tal entflohen und aus Furcht vor der wilden Bode nie Wieder wagten, in diese Gegend zu kommen. Die Gebäude der Hütte waren vom Wasser zerstört, so dass die Hüttenleute weiter entfernt eine neue Hütte aufbauen mussten. Die Stelle, an der die alte Hütte gestanden hatte, nannten sie seit der Zeit die „Alte Brake“. In der neuen Hütte fanden sich nach einiger Zeit auch wieder die Zwerge ein, halfen in der Schmiede und schleppten täglich das Dreifache von dem heraus, was die Männer geschmiedet hatten. Das gefiel den Hüttenleuten, und sie vergalten es den Zwergen, indem jeder ihnen Brot und Milch mitbrachte, so viel sie essen und trinken mochten. Einmal feierten die Hüttenleute ein großes Fest und luden auch die Zwerge dazu ein. Dem Zwergenkönig hatten sie aus Dankbarkeit einen neuen Rock und ein Paar zierliche Stiefel anfertigen lassen. Über den neuen Rock hat sich der kleine König sehr gefreut, hat ihn gleich angezogen und einen Freudentanz damit aufgeführt. Als er aber die neuen Stiefel sah, wurde er traurig und sagte: „O weh, nun müssen wir wandern!“ Er zog die Stiefel an und machte sich auf den Weg; alle Zwerge folgten ihm durch das Tal und aus dem Harz hinaus. Niemand hat sie seitdem in den Bergen des Harzes angetroffen, soviel man auch nach ihnen suchen mochte. Der alte Schmied lebte noch lange in bescheidenem Wohlstand bei seiner Tochter, bis die Enkelkinder groß waren und nun selber in den Stollen und Hütten Arbeit aufnehmen konnten. Seit jener Zeit aber sagt man im Harz, wenn man jemand gern hat, soll man ihm weder Schuhe noch Pantoffeln schenken., sonst geht er damit ab und kommt, ebenso wie die Zwerge, nie wieder. Darum darf kein Bursche seiner Liebsten die Brautschuhe kaufen und kein Mädchen ihrem Burschen ein Paar Pantoffeln schenken - Schuhe und Pantoffeln würden die Beschenkten in die Ferne entführen, und das Glück wäre aus.

*) zerbrechen - brach

(Nach C. Förstner)

Quelle: "Sagen aus dem Harz", nacherzählt von Fritz A. Körber,, Herausgeber: Rat des Kreises Halberstadt 1960

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